Den französischen Ermittlungsbehörden ist es, gemeinsam mit dem französischen Geheimdienst gelungen, die Kommunikation auszuwerten, welche mittels sogenannter EncroChats geführt worden war. Die Ermittlungsergebnisse wurden anschließend u.a. an die deutschen Ermittlungsbehörden weitergegeben. Dabei war es nicht unumstritten, ob die Ermittlungsergebnisse von deutschen Behörden hätten verwertet werden dürfen. Mit der Frage, ob ein Verwertungsverbot im Strafprozess hinsichtlich der durch die französischen Ermittlungsbehörden im Zusammenhang mit der Überwachung des Dienstleisters für Krypto-Handys (speziell im Fall EncroChat) durch Entschlüsselung von Chat-Nachrichten gewonnenen und ausgewerteten Chat-Daten vorliegt, hatte sich das Kammer-Gericht zu beschäftigen.
Worum ging es im Einzelnen?
Der Staatsanwaltschaft Berlin wurden die relevanten Daten, welche den (späteren) Angeklagten schwer belasteten, von der Staatsanwaltschaft in Lille übermittelt. Der Tatvorwurf lautete auf gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Die Kernfrage war dabei, ob die deutsche Staatsanwaltschaft die Ermittlungsergebnisse auch dann im Strafprozess verwenden dürfte, wenn die französischen Behörden die Beweismittel auf eine Art und Weise erlangt hätten, die zwar nach französischem Recht zulässig war, nicht jedoch nach deutschem Recht.
Die Entscheidung des Kammer-Gerichts
Der Senat hat entschieden, dass die nach französischem Recht rechtmäßig gewonnenen Erkenntnisse im deutschen Strafverfahren verwendet und verwertet werden dürfen. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Anordnung der von den französischen Behörden durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen nach dem Kenntnisstand des Senats nicht den Anforderungen zu genügen scheinen, die nach deutschem Recht an eine Überwachung des internetbasierten Datenaustausches und der Telekommunikation zu stellen wären. Begründet wird das vom Senat damit, dass kein Fall vorliegt, bei dem deutsche Behörden durch ein planmäßiges Vorgehen zur Umgehung der maßgeblichen Vorschriften der Strafprozessordnung an der Datengewinnung im Ausland mitgewirkt hätten. Dies würde den Erwägungen die Tür öffnen, dass ein Zufallsfund § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO hinsichtlich der gewonnenen Daten vorliegen könnte. Der Senat bejaht zunächst, dass ein Zufallsfund sich auch auf grenzüberschreitenden Informationsaustausch bezieht. Weiter führt der Senat aus, dass die Voraussetzungen für die Anordnung von Maßnahmen nach § 100b StPO ebenfalls vorliegen. Die übermittelten Daten, welche letztlich zu einer Belastung des Angeklagten beitragen, sind somit als Zufallsfund zu kategorisieren und können im Strafprozess vor deutschen Gerichten verwendet werden.
Bedeutung in der Praxis:
Die Entscheidung des Senats dürfte für große Teile der Literatur nicht nachvollziehbar sein. Ermittlungsbehörden werden hier Tür und Tor geöffnet, die strengen Anforderungen in der Strafprozessordnung an die Beweisgewinnung dadurch zu umgehen, dass sie im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens auf die Ermittlungsergebnisse der Ermittlungsbehörden aus anderen EU-Mitgliedsstaaten zugreifen. In Anbetracht dessen, ist die Entscheidung aus Sicht eines Strafverteidigers kritisch zu sehen. Für die auf Strafrecht spezialisierten Rechtsanwälte ist die Entscheidung bei der Planung der Strafverteidigung im Prozess von erheblicher Bedeutung. Diese Rechtsprechung dürfte nämlich nicht nur auf den Bereich der Krypto-Handys Anwendung finden.